Frühe Siedlungsspuren und die Hünenburg

Frühe Spuren einer Besiedlung in Suderlage, dem heutigen Bad Waldliesborn, stellen verschiedene Urnenfunde an der Glenne, einem Nebenfluss der Lippe, dar. Weil Karl der Große die Verbrennung von Leichnamen als heidnischen Brauch ansah und deshalb verbot, wird das Alter dieser Urnen auf mindestens 1200 Jahre geschätzt. Im Jahr 1900 wurde auf einer teilweise als Sandgrube genutzten Fläche zwischen den Höfen Dinkelmann und Nölke erstmals eine Urnenbegräbnisstätte gefunden. Umfänglich beschrieb der Suderlager Lehrer und Heimatforscher Heinrich Terhaar den Fundort wie auch die Beschaffenheit der Urnen. Aufgrund eines mitgefundenen Eisennagels ordnete Terhaar den Fund der Eisenzeit zu. Im Jahr 1926 entdeckte man auf einem Ackerstück des Landwirts Dinkelmann zudem sechs große und zwei kleine Urnen. Sie befinden sich heute im Museum Abtei Liesborn oder im Archiv der LWL-Archäologie für Westfalen in Münster. 1930 wurde wieder bei Dinkelmann ein Graburnen-Beigefäß in Form einer Henkeltasse gefunden, welches sich heute im Besitz des Lippstädter Stadtmuseums befindet. Zeitlich wird es noch der Jungsteinzeit zugerechnet.

 

Eine sogenannte Hünenburg liegt unweit von Bad Waldliesborn in der Nähe des Hofes Schulze-Waltrup. Dabei handelt es sich um einen bis zu zehn Meter breiten und bis zu drei Meter hohen Wall, der eine Fläche von 150 Metern Breite und 200 Metern Länge umschließt. Nach der Chronik Westfalens, die der Liesborner Benediktinermönch Bernhard Witte um das Jahr 1500 schrieb, könnte die Hünenburg ein Lager sein, das Karl der Große zum Schutz der bekehrten Sachsen anlegen ließ und das später von den einfallenden Ungarn zerstört wurde. Leopold von Ledebur, F.W. Schmidt und Professor J. Schneider sprachen hingegen von einem Römerlager. Dies stellte aber bereits Ludwig Hölzermann um 1860 in Frage, der eine germanische Nachahmung eines römischen Lagers vermutete, das in der Zeit um Christi Geburt errichtet wurde. Der Suderlager Lehrer und Heimatforscher Heinrich Terhaar stützte sich dagegen 1895 auf Grabungen und dabei gefundene Scherben, welche auf einen karolingischen Ursprung des Lagers hinwiesen. 1968 wurden schließlich neue Ausgrabungen von Philipp Hömberg vorgenommen, der seine Promotion zu den frühgeschichtlichen Wallanlagen Westfalens schrieb. Die von ihm gefundene Drehscheibenkeramik ließ eine zeitliche Einordnung in die erste Hälfte oder die Mitte des 9. Jahrhunderts zu. Wilhelm Kohl spekuliert sogar, dass die Hünenburg ein Wohnsitz des Liesborner Klosterstifters Graf Bardo gewesen sein könnte. Abweichend davon hat Professor Dieter Hägermann im Jahr 2006 wieder die Vermutung geäußert, dass es sich doch um eine Gründung Karls des Großen, also um eine „Karlsburg“, handeln könnte.

 

 

Karl der Große und das Kloster Liesborn

Nach Darstellung der Liesborner Chronisten gründete Karl der Große um das Jahr 800 das Damenstift Liesborn. Möglicherweise legte im Jahr 799 sogar Papst Leo III. im Beisein Karls des Großen den Grundstein. Hierauf verweist das spätere Wappen der Benediktinerabtei Liesborn, bei dem im linken Feld ein goldbekrönter Löwe für Papst Leo III. und im rechten Feld ein goldbekrönter schwarzer Doppeladler für Karl den Großen steht. Der Papst und der Kaiser sollen auch die Reliquien des hl. Propheten Simeon und der hll. Cosmas und Damian nach Liesborn gebracht haben.

 

Allerdings feierte die Benediktinerabtei schon 1783 das tausendjährige Bestehen. Demnach erfolgte die Gründung des Damenstiftes Liesborn als Vorgänger der Abtei bereits im Jahr 783. Aufgrund einer Notiz von Abt Karolus von Kerssenbrock wird alternativ von 785 als Jahr der Klostergründung ausgegangen. Beides steht in zeitlicher Nähe zu einer Schlacht, die offenbar zwischen den Franken unter Karl dem Großen und den heidnischen Sachsen in Suderlage stattfand. Demnach könnte es sich um eine Gedächtnis- oder Versöhnungsstiftung handeln.

 

Als Gründer, die das Grundeigentum für das Damenstift Liesborn zur Verfügung stellten, nennt der Nekrolog, d.h. das Totenregister, die Adeligen Boso und Bardo. Sie waren vermutlich Verwandte des Sachsenherzogs Ekbert und seiner Frau Ida von Herzfeld. Wie Ida von Herzfeld soll auch Roswindis, die erste Äbtissin des Damenstiftes Liesborn, mit Karl dem Großen verwandt gewesen sein. Ihr Grab befindet sich unter den Bodenplatten der Turmkapelle der Liesborner Abteikirche. In der Turmkapelle sind Fresken zu finden, die natürlich auch Karl den Großen zeigen.

 

Aus der Zeit des Damenstiftes ist eigentlich nur eine Urkunde aus dem Jahr 1019 bekannt, mit der Kaiser Heinrich II. Bischof Dietrich von Münster und seinen Nachfolgern das Kloster Liesborn übertrug. Nach einem großen Brand im Jahr 1121, der wohl auch weitere Urkunden vernichtete, löste Bischof Egbert von Münster im Jahr 1130 das Liesborner Damenstift auf. Grund dafür soll angeblich die schlechte Disziplin gewesen sein. Dagegen spricht bereits der Suderlager Lehrer und Heimatforscher Heinrich Terhaar von einem „Opfer politischer Erwägungen“ im Rahmen des Investiturstreits. Zuflucht fanden die Stiftsdamen im heute sogenannten Nonnenholz zwischen Liesborn und Cappel, aber wohl auch in der Bauerschaft Suderlage. Eine endgültige Aufnahme ermöglichte 1138 das Prämonstratenserinnenkloster Cappel und 1185 das Lippstädter Stift.

 

Um die Stiftsdamen abzulösen, kamen bereits im Jahr 1130 die ersten Benediktinermönche von St. Michael in Hildesheim oder von Werden an der Ruhr nach Liesborn. Im Jahr 1803 führte die Säkularisation zur Aufhebung der Liesborner Benediktinerabtei.

 

 

Die Kluse und Niels Stensen

Die ehemalige Kapelle zur Kluse und der benachbarte Klusen-Kotten sind vermutlich auf eine Einsiedelei zurückzuführen, welche im Mittelalter von der Liesborner Benediktinerabtei in der Suderlager Grenzregion gegründet wurde. Einen Hinweis darauf gibt erstens der mittelhochdeutsche Name „Kluse“, der vom lateinischen Wort „clausum“ (das Eingeschlossene) herrührt. Zweitens ist St. Paulus der Einsiedler Hauptpatron und St. Antonius der Einsiedler Nebenpatron der Kluser Kapelle gewesen. Die Kapelle existierte vielleicht schon vor 1271, als das Heldengedicht „Lippiflorium“ entstand. Erste urkundliche Erwähnung fand die Kapelle zur Kluse jedoch in einem Register der Liesborner Benediktinerabtei nach Beendigung der Soester Fehde im Jahr 1462. Im Dreißigjährigen Krieg wurde die Kapelle offenbar zerstört und dann zwischen 1650 und 1680 neu errichtet. Ebenfalls um 1650 wurde der Klusen-Kotten erstmals erwähnt. Laut einer Eintragung im Liesborner Tauf- und Kopulationsbuch erfolgte die Einweihung der Kapelle am 28. Oktober 1680 durch den Münsteraner Weihbischof Niels Stensen. Es ist ebenfalls überliefert, dass Stensen bei diesem Anlass Reliquien der hll. Fabianus und Sebastianus in den Altar einschloss. 1875 wurde die Kapelle aufgrund von Baufälligkeit durch einen Neubau im neugotischen Stil ersetzt, der den Gläubigen von Suderlage bzw. von Bad Waldliesborn bis zur Errichtung der St. Josef-Kirche im Jahr 1930 als Gotteshaus diente. Zwischen 1930 und 1972 wurde die Kapelle von der Pfarrei St. Josef als Vereinshaus genutzt. Die wertvolle Renaissance-Kanzel aus dem Jahr 1557, eine Glocke aus dem Jahr 1658 und zwei Holzfiguren der beiden Patrone St. Paulus und St. Antonius wurden unmittelbar von der Kapelle in die neue Bad Waldliesborner Kirche übernommen. Die Reliquien der hll. Fabianus und Sebastianus sowie auch die von Niels Stensen zur Konsekration ausgestellte Urkunde kamen zwischenzeitlich in das Archiv der Mutterpfarrei in Liesborn, wurden 1980 zurückgegeben und 1990 in den Stipes des Altares der St. Josef-Kirche eingeschlossen. 1972 erfolgte schließlich der Abriss der Kapelle. Am ehemaligen Standort befindet sich seit 1980 ein Niels-Stensen-Gedenkstein. Der benachbarte Kluse-Kotten war schon 1936 abgebrannt.

 

Niels Stensen, der die Kapelle zur Kluse im Jahr 1680 eingeweiht hatte, wurde 1988 seliggesprochen. Geboren 1638 in Kopenhagen, studierte er zunächst Medizin und machte sich als Universalgelehrter, insbesondere als Anatom und Geologe einen Namen. 1666 ging er nach Florenz, wo er 1667 zum katholischen Glauben übertrat. 1675 erfolgte ebenfalls in Florenz seine Priesterweihe, 1677 in Rom seine Bischofsweihe. Der Münsteraner und Paderborner Bischof Ferdinand II. von Fürstenberg machte Stensen 1680 zum Weihbischof für das Bistum Münster, erteilte aber auch Vollmachten für Paderborn. 1683 verließ Stensen Münster, da er gegen eine simonistische Bischofswahl Protest erhob. Anschließend wirkte er in Hamburg und gründete eine katholische Gemeinde in Schwerin. Dort verstarb Stensen als einfacher Seelsorger am 5. Dezember 1686. 1687 wurde Stensens Leichnam in der Grablege der Medici in Florenz bestattet. Das Erzbistum Paderborn erhielt 2019 eine Reliquie des seligen Niels Stensen für den Paderborner Dom. Sie wurde im November 2020 in eine Schauvitrine in der Vitus-Kapelle des Paderborner Domes gestellt. Schon seit 1986 trägt die Grundschule von Bad Waldliesborn, die sich unweit des früheren Standortes der St. Paulus-Kapelle zur Kluse befindet, den Namen „Niels-Stensen-Schule“.

 

 

Geschichte des Kluse-Kottens

Eine Notiz aus dem Pfarrrarchiv von Liesborn legt eine Gründung des Kluse-Kottens um das Jahr 1650 nahe. Vermutlich geht der Kluse-Kotten aber auf eine noch ältere Einsiedelei zurück. Das lässt nicht nur die Bedeutung des Namens vermuten (Kluse von lateinisch ”clausum”), sondern auch St. Paulus der Einsiedler als Hauptpatron und St. Antonius der Einsiedler als Nebenpatron der benachbarten Kluse-Kapelle. Der Nutznießer des Kluse-Kottens, der sogenannte Klüsener, hatte neben der Abgabenlast gegenüber der Liesborner Benediktinerabtei auch einige Verpflichtungen gegenüber der Kluse-Kapelle. Mit der Säkularisierung im Jahr 1803 fiel der Kotten zwar dem Klüsener als freies Eigentum zu. Die Verpflichtungen gegenüber der Kapelle blieben davon aber zunächst unberührt.

Im Jahr 1907 verkaufte Peter Siedhoff-Klüsener den Kapellen-Kotten an Wilhelm Eichholz, der schon das Heilbad aufgebaut hatte. Gleichzeitig zahlte er einen Geldbetrag zur Ablösung seiner Verpflichtungen gegenüber der Kapelle. Nach der Versteigerung an die Deutsche Badegesellschaft kaufte im Jahr 1920 die Familie Frische und später die Familie Deimel/Hölscher den Kotten. Gepachtet und bewirtschaftet wurde das Anwesen von 1907 bis 1936 von den Familien Schulte, Brüggenolte, Frische und Wolke. Im zuletzt genannten Jahr brannte der Kotten nahezu vollständig ab. Durch eine Schenkung wurde die katholische Kirchengemeinde (wieder) Eigentümerin des verbliebenen Grundstückes. Sie baute auf diesem Grundstück 1974/75 das Bildungsheim „Die Brücke“.

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